Ein Kribbeln auf der Lippe – und schon kündigt sich ein Lippenherpes an. Die hochansteckende Virusinfektion betrifft viele Menschen regelmäßig – oft tauchen die Herpesbläschen ausgerechnet im Sommerurlaub auf. Wer frühzeitig handelt, kann den Ausbruch deutlich abmildern und andere vor Ansteckung schützen.
Lippenherpes, auch Herpes labialis oder umgangssprachlich Fieberbläschen genannt, ist eine durch das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) verursachte Infektion. Die Erstinfektion erfolgt in der Regel bereits im frühen Kindesalter und verläuft oft unbemerkt. Rund 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind damit infiziert – oft jedoch ohne Folgen. Nach der Infektion verbleibt das Virus lebenslang verborgen in den Nervenknoten im Körper. Wird das Immunsystem geschwächt oder bestimmten Reizen ausgesetzt, etwa Stress oder starker Sonneneinstrahlung, kann das Virus reaktiviert werden. In solchen Fällen wandert es entlang der Nervenbahnen zurück an die Hautoberfläche und verursacht dort die typischen schmerzhaften Bläschen, meist an der Lippe.
Ein Lippenherpes-Ausbruch kündigt sich häufig durch ein Kribbeln, Brennen oder ein unangenehmes Spannungsgefühl an. Kurz darauf bilden sich Bläschen, die sich mit Flüssigkeit füllen, aufplatzen und anschließend verkrusten. Zusätzlich kann es zu einer Schwellung der Lymphknoten im Kieferbereich kommen. Der gesamte Verlauf – von den ersten Anzeichen bis zur Abheilung – dauert in der Regel ein bis zwei Wochen.
Die Übertragung von Lippenherpes erfolgt sehr leicht, denn das Virus ist hochansteckend. Es kann über direkten Haut- oder Schleimhautkontakt, etwa beim Küssen oder beim Oralverkehr, übertragen werden. Auch Tröpfcheninfektionen beim Sprechen oder Niesen sowie Schmierinfektionen durch gemeinsam genutzte Gegenstände wie Gläser, Besteck oder Handtücher sind mögliche Übertragungswege. Besonders kritisch ist der Kontakt mit der infektiösen Flüssigkeit aus frischen Herpesbläschen. Auch eine Übertragung vom Mund- in den Genitalbereich und umgekehrt ist möglich.
Die höchste Ansteckungsgefahr besteht so lange, wie die Bläschen über der Lippe nicht verkrustet sind. In dieser Zeit ist besondere Vorsicht im Umgang mit anderen Menschen geboten, insbesondere mit Säuglingen, älteren Personen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Diese haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen.
Eine frühzeitige Behandlung kann den Verlauf der Infektion abmildern. Am effektivsten wirken antivirale Cremes aus der Apotheke mit den Wirkstoffen Aciclovir oder Penciclovir. Diese Herpesbläschen-Cremes sollten möglichst bereits beim ersten Kribbeln aufgetragen werden. Wer häufig von Herpes über der Lippe betroffen ist, sollte so eine Creme am besten immer griffbereit haben. Ergänzend können Zinksalben oder desinfizierende Gele helfen, die Bläschen auszutrocknen und die Heilung zu unterstützen. Spezielle Herpes-Pflaster schützen die betroffene Stelle zudem vor Reizungen. Bei schweren Verläufen kann eine ärztlich verordnete Behandlung mit Tabletten oder Infusionen notwendig werden
Da es bislang keinen Impfstoff gegen Lippenherpes gibt, besteht die wichtigste Vorbeugung darin, bekannte Auslöser zu vermeiden und das Immunsystem zu stärken. Dazu zählen ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung sowie der Verzicht auf Alkohol und Nikotin. Auch Anti-Stress-Strategien sind für Betroffene hilfreich, da psychische Belastung zu den häufigsten Auslösern gehört. Wer besonders häufig unter Herpesausbrüchen leidet, kann mit dem Arzt über eine vorbeugende antivirale Therapie sprechen.
In der Apotheke gibt es zum Beispiel Cremes, die hochdosierte Zubereitungen aus Zitronenmelisse enthalten. Diese können bei den ersten Anzeichen helfen. Zudem sollen Präparate mit L-Lysin vorbeugend wirken. Die essenzielle Aminosäure L-Lysin, die der Körper selbst nicht produzieren kann, unterstützt eine funktionierende Immunabwehr. Entsprechende Präparate enthalten oft auch Zink und bestimmte Vitamine, die den Abwehr- und Heilungsprozess fördern sollen.
Ein Arztbesuch ist ratsam, wenn die Bläschen nicht abheilen oder sich auf ungewöhnliche Körperstellen wie die Augen oder den Genitalbereich ausbreiten. Auch bei gleichzeitigem Fieber, starkem Unwohlsein sowie bei bestehender Neurodermitis sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Für Säuglinge und Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann ein Herpes-Ausbruch ernsthafte gesundheitliche Folgen haben und sollte daher stets ärztlich abgeklärt werden.
Besonders gefährdet sind Neugeborene, Menschen mit Immunschwäche – etwa durch HIV, Chemotherapie oder eine Organtransplantation – sowie Personen mit Hauterkrankungen wie Neurodermitis. Bei ihnen kann das Virus zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen führen, darunter eitrige Hautinfektionen, Hirnentzündungen (Herpes-Enzephalitis), Hornhautschäden, Gesichtslähmungen oder Lungenentzündungen. Bei Neugeborenen besteht die Gefahr, dass sie sich bei der Geburt infizieren, wenn die Mutter einen akuten Herpesausbruch im Genitalbereich hat. In solchen Fällen kann ein Kaiserschnitt empfohlen werden.
Die Familie der Herpesviren ist groß: Über 200 Herpesvirus-Typen (HSV) sind heute bekannt, neun von ihnen betreffen Menschen. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Viren stark: HSV-1 ist vor allem für Lippenherpes verantwortlich. HSV-2 verursacht typischerweise Genitalherpes. Allerdings ist eine sogenannte Kreuzinfektion möglich, etwa wenn HSV-1 durch Oralverkehr in den Genitalbereich gelangt oder umgekehrt.
Das Varizella-Zoster-Virus (Herpesvirus Typ 3) ist für Windpocken und Gürtelrose verantwortlich ist.
Ein weiterer Herpes-Verwandter ist das Epstein-Barr-Virus (EBV), eines der am weitesten verbreiteten Viren der Welt. Mit Anfang 50 haben bereits 95 bis 98 Prozent aller Menschen eine Infektion mit EBV durchlebt. EBV ist der Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers und, wie Forschende vor Kurzem nachweisen konnten, Hauptursache für die Entstehung von Multipler Sklerose (MS).
Ebenfalls weit verbreitet ist das Cytomegalievirus (CMV), das vor allem für Transplantationspatienten gefährlich werden kann. Beim ungeborenen Kind kann eine Infektion zu einer Reihe von Krankheitszeichen und Fehlbildungen oder zur Frühgeburt führen. Daher ist es für Frauen ratsam, sich bei Kinderwunsch oder zu Beginn einer Schwangerschaft testen zu lassen. Der CMV-Test zählt zu den IGel-Leistungen, die meisten Krankenkassen bezahlen ihn nicht. Trotzdem lohnt es sich, bei der Kasse nachzufragen – oft werden die Kosten zumindest anteilig übernommen.
Stress ist ein häufiger Auslöser für Lippenherpes. Auch Angst, Schlafmangel oder andere psychische Belastungen können das Virus aus seinem „Schlummerzustand“ wecken. Neben psychischen Ursachen gelten auch intensive Sonneneinstrahlung, hormonelle Schwankungen – etwa während der Menstruation oder in der Schwangerschaft –, kosmetische Eingriffe im Gesicht sowie Infektionen und Fieber als mögliche Trigger
Die typische Entwicklung eines Lippenherpes verläuft in mehreren Phasen: Zunächst tritt ein Kribbeln oder Brennen auf, gefolgt von der Bildung kleiner Bläschen. Diese platzen nach kurzer Zeit auf, es bildet sich eine Kruste, die nach etwa ein bis zwei Wochen von selbst abheilt. Das Virus bleibt auch danach im Körper aktiv und kann jederzeit erneut ausbrechen.
Bei kleinen Kindern zeigt sich Lippenherpes oft in einer besonders unangenehmen Form: der sogenannten Mundfäule, medizinisch Stomatitis aphthosa. Diese äußert sich durch schmerzhafte, geschwürartige Bläschen im gesamten Mundraum und geht häufig mit hohem Fieber einher. Viele Kinder verweigern in dieser Phase die Nahrungsaufnahme. In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein, um eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sicherzustellen.
Komplikationen sind vor allem bei Risikogruppen möglich. Dazu zählen bakterielle Superinfektionen, die durch aufgekratzte Bläschen entstehen, Hirnentzündungen, ausgedehnte Hautinfektionen bei Neurodermitis, Augenschäden durch Hornhautbeteiligung sowie – selten – Gesichtslähmungen. Besonders tragisch kann eine Herpes-Infektion für Neugeborene verlaufen, wenn sie sich bei der Geburt infizieren. Hier können bleibende Schäden die Folge sein.